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Lebewesen, Menschen eingeschlossen, verwandeln, überspitzt gesagt, Essen in Babies. Über Generationen hinweg führt dies zu einem interessanten Lernprozess. Denn beim Babies machen vermischt sich der genetische Bauplan der hierbei erfolgreichen Eltern. Darüber hinaus kann es zu Mutationen kommen.
Aus den so entstandenen Varianten unseres genetischen Bauplans setzten sich die Genvarianten durch, welche das Verhalten der Spezies so veränderten, dass deren Gene mit größerer Wahrscheinlichkeit an die nächste Generation weitergegeben wurden. Nicht umbedingt immer zum Wohle der Spezies , denn die sind quasi nur die Handpuppen ihrer Gene.
Über Millionen von Jahren hin bewirkt dieser Prozess, dass Spezies entstanden, die wie durch einen Intelligente Schöpfer designt, nahezu in perfekten Gleichgewichten aufeinander und das sie umschließende Ökosystem angepasst sind.
Der Mensch entstand aus diesem Prozess heraus. Und wurde dabei so erfolgreich, dass er heute alle anderen Spezies dominiert und die Ressourcen der Erde umfänglich für seine Zwecke einspannt. Dadurch werden all die lang eingependelten Gleichgewichte massiv durcheinandergebracht, was sich in Klimawandel und Artensterben wiederspiegelt.
Menschen machten sich die Erde untertan, indem sie Maschinen bauten, die für sie arbeiteten und die Beschränkungen menschlicher Muskelkraft überwanden. Die Maschinen brauchten fürs arbeiten auch Energie, aber diese kam vornehmlich aus fossilen Energieträgern:
Diese massenweise ausbuddeln und zu verfeuern hatte unterwartete Nebenwirkungen, derer wir uns heute bewusst sind.
Sind wir also tragische Gestalten, die, wie der Krebsgeschwür der Erde, mit unserem Wachstum die eigene Lebensgrundlage gefährden? Oder gibt es Grund zum Optimismus?
Doch zunächst einmal: Was ist das Geheimnis unseres Erfolgs?
Der Erfolg wird gemeinhin unseren großen Gehirnen zugeschrieben, die sich biologisch so herausgebildet haben, dass es sich als Wettbewerbsvorteil im Überlebenskampf erwies.
Der “ Cultural Brain” Hypothese zufolge dienen diese großen Gehirne aber vor allem dazu, kulturelles Wissen zu speichern. also Ideen , die zu Verhaltensweisen führen, die nicht unmittelbar auf unser Erbgut zurückzuführen sind.
Analog zum Gen, welches Wissen verkörpert, dass sich über einen ewig langen, evolutionären Suchprozess herausgebildet hat, gibt es so etwas wie kulturelle Gene (sogenannte Memes), die zwar nicht im Erbgut, aber dafür im Gehirn abgespeichert werden. Memes sind Ideen, Stile und Verhaltensweisen, die sich durch Nachahmung innerhalb einer Kultur verbreiten.
Auch sie unterliegen einem evolutionären Prozess. Denn wie bei Genen verändern erfolgreiche Meme-Varianten das Verhalten des Menschen so, dass diese Variante wahrscheinlicher als Ihre Rivalen weitergereicht wird – also sich eher in andere Köpfe überträgt.
Aber während Gene nur von Eltern zu deren Kindern weitergegeben werden können, können Memes an die gesamte Menschheit übertragen werden, etwa so wie ein Virus.
Die Verbreitung der Memes erfolgt entweder vertikal (indem sie von Eltern zu Kindern weitergegeben wird, z.B. durch Erziehung), oder horizontal durch die gesamte Bevölkerung hinweg (vor allem entlang der jeweiligen Gruppenzugehörigkeiten).
Doch im Gegensatz zu Genen können Memes nicht verlässlich von einer auf die nächste Generation übertragen werden. Zwar spielt Erziehung, Ausbildung und kulturelle Prägung eine große Rolle… und viel kulturelles Wissen hat sich über hunderte oder sogar tausende Jahre inkrementell weiterentwickelt.
Doch jeder weis, dass Kinder spätestens mit der Pubertät eigene Ideen aufgreifen, die denen der Eltern wiedersprechen. Zudem kommt es vor, dass Subkulturen wie Punks und Hippies enstehen, die sich von bestehendem Gedankengut entschieden abgrenzen.
Denn Menschen sind in der Regel keine Sockenpuppen ihrer Ideen, sondern können sich der Ideen (der Eltern, der Gesellschaft in der sie großgeworden sind und der Gruppen, der sie zugehörig sind assimiliert haben) bewusst werden, diese kritisieren und abwandeln, sodass sie ihre Ziele besser erreichen können.
Zu Lebzeiten findet in den Köpfen der Menschen ein Selektionsprozess zwischen konkurrierenden Ideen statt. Denn jede Idee, die in der Praxis erprobt wird, kann vorher tausdenfach mit unserer Vorstellungskraft getestet werden. Die Selektion erfolgreicher Varianten muss sich dabei nicht erst mit dem Tod des Trägers entschieden, wie bei der biologischen Evolution.
“The whole of biological evolution was but a preamble to the main story of evolution on our planet, the evolution of memes.” (D. Deutsch)
Und doch fühlt man sich häufig persönlich angegriffen, wenn jemand unsere Ideen kritisiert. wir umgeben uns vornehmlich mit Gleichgesinnten und kommen nicht aus unseren Informationsblasen heraus. Der Grund hierfür liegt ebenfalls in unserer Vergangenheit: Denn Menschen sind soziale Tiere.
Um zu überleben, waren wir zwingend darauf angewiesen, Teil einer Gruppe zu sein. Wir verhalten uns altruistisch, sind darauf programmiert, dazuzugehören und erkennen intuitiv: Wer gehört zu unserer Gruppe und wer nicht? Dann assimilieren wir die Ideen und Verhaltensnormen, die in der Gruppe geteilt werden. Soziale Emotionen wie Scham motivieren Menschen, das eigene Verhalten so zu korrigieren, dass es den Erwartungen der Gruppe entspricht.
Außerdem empfinden wir Stolz, wenn es uns gelingt, innerhalb der Gruppe aufzusteigen und Status und Anerkennung zu gewinnen. Denn das bedeutete: Mehr Überlebenschancen, mehr Essen, mehr Sex, also bessere Chancen der Reproduktion.
Gruppen werden durch geteilte Ideen zusammengehalten, die ihre Träger auf bestimmte Art verhalten lassen. Einige davon können wir explizit benennen, viele davon sind uns gar nicht bewusst.
Das macht die Kooperation in großen Gruppen möglich, da man das Verhalten der Anderen so besser einschätzen kann, ohne sie persönlich zu kennen.
Die Akzeptanz eines Glaubenssatzes verschafft einem Eintritt in die Gruppe. Aber um darin aufzusteigen und Status zu erwerben, muss man von der Idee gradezu besessen sein und für sie einstehen. Das wird mit Status belohnt, und zwar umso mehr, umso energischer, lauter und verbissener man die Idee vertritt ( das gilt leider auch beim Verfechten von abstrusen Verschwörungstheorien).
Abweichende Ideen werden, selbst wenn sie richtig sind, bestraft, denn das gefährdete die Stabilität bzw. die bestehende Ordnung (und damit das Überleben der Gruppe). Man denke hierbei an Galileos Feststellung, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht andersrum.
Mit falschen Ideen ist die Gruppe aber auf Dauer weniger effektiv. Denn Ursache Wirkungs- Zusammenhänge werden falsch verstanden, was zu nicht zielführenden Verhaltensweisen führt. Auch nicht hilfreich ist, wenn sich rivalisierende Gruppen ständig gegenseitig bekriegen und abschlachten.
Aus diesem Dilemma heraus enstand die Aufklärung, ein dringend benötigtes Softwareupdate für unsere “kollektiven Gehirne“.
Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen, so Immanuel Kant, Verfechter der Aufklärung. Kant fordert dazu auf, sich aus der Abhängigkeit von Autoritäten zu befreien und eigenständig zu denken. Sich von blindem Gehorsam und dem unreflektierten Übernehmen von Ideen zu lösen.
Statt Authoritäten wie die Kirche, die bisher die primären Quellen der vorherrschenden Ideen waren, beschwor die Aufklärung autonome Individuen, die der Vernunft und des kritischen Denkens mächtig waren. Diese wurden dazu ermutigt, aktiv am Prozess der kulturellen Evolution teilzunehmen und selbst zu denken, statt die Ideen der Gruppe unhinterfragt zu assimilieren.
Zentral für dieses ambitionierte Unterfangen war die Institution der Wissenschaft. Dort herrscht eine kultur der Kritik vor, aufgrund derer die Ideen gegeneinader kämpften, anstatt ihre Träger. So war zumindest das Ideal. Der Status als großer Wissenschaftler war sicherlich ein wichtiger Antrieb. Doch dieser wird durch neue, unkonventionelle Ideen erlangt.
Der Job der Wissenschaftlers ist es, die bestehenden Ideen zu hinterfragen und steile Hypothesen zu formen, die dann wiederum getestet und kritisiert werden.
In diesem Prozess bleiben nur die besten Ideen übrig, und diese gelten nicht als endgültige Wahrheiten, sondern immer nur vorläufig. das heißt also, man musste sie so formulieren, dass sie auch wieder wiederlegt werden könnten.
So gelang es, die vorherrschenden Ideen gezielt weiterzuentwickeln bzw. zu revolutionieren, sodass sie unseren empirischen Beobachtungen immer präziser entsprechen, und wir am Ende ein sehr genaues Verständnis davon haben, wie die Welt funktioniert.
Die Idee des Fortschritts ist ein zentraler Bestandteil der Aufklärung. Denn mit ihr kam die Vorstellung, dass man sich selbst das Paradies auf Erden erschaffen könne, indem man die Naturgesetze mit Hilfe der Wissenschaft entdeckt und die Erkenntnisse nutzt, um das Leben der Menschen zu verbessern.
In anderen Worten: Mit dem Softwareupdate und der Institution der Wissenschaft gelang es, die kulturelle Evolution massiv zu befeuern und gezielt nach vorn zu lenken.
Wichtig war dabei auch der Transfer der in der Wissenschaft geschaffenen ideen in die breite Gesellschaft. Dies geschah, indem das Wissen in Produkten verkörpert wurde, die von Unternehmen vermarktet und skaliert werden, aber auch durch wissenschaftliche Politikberatung und den Einfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse auf individuelle Lebensführung.
Das Internet ermöglicht es guten Ideen, sich rapide zu verbreiten. Doch leider ist es nicht so, dass sich diese von alleine durchsetzen. Denn Ideen, welche die komplexe Realität abbilden sind häufig kompliziert und konkurrieren mit wilden Verschwörungstheorien und Populismus, die oftmals weniger kompliziert sind und damit für potentielle Träger besser zu verdauen. Diese verbreiten sich wie ein Virus, wenn sie ihren Trägern ein positiveres Selbstbild verschaffen. Und wenn deren Übernahme keine unmittelbaren Konsequenzen nach sich zieht (die Theorie, dass man sich problemlos auf eine heiße Herdplatte stützen kann wird sich aller Voraussicht nach nicht durchsetzen).
Problematisch wird es, wenn Ursache und Wirkung sehr weit auseinanderliegen. Wenn beispielsweise der Klimawandel für ein Hirngespinst korrupter Eliten erklärt wird (was den eigenen Zusammenhalt der Verschwörungstheoretiker stärkt), trägt man selbst keine Verantwortung und keine Änderung des individuellen Lebensstils ist erforderlich. Was erstmal bequem ist: Die Individuen erfahren einen Nutzen, ohne unmittelbare Konsequenzen tragen zu müssen (ganz im Gegenteil sogar, wenn ihr Arbeitsplatz von der grünen Transformation bedroht wird).
Ironischerweise stilisieren sich viele dabei als freie, unabhängige Geister, die sich des eigenen Verstandes bedienen, als die Ideen der Wissenschaft unhinterfragt zu assimilieren.
Die Wissenschaft macht auch Fehler, keine Frage. Außerdem werden unter dem Deckmantel der Wissenschaft werden häufig auch politische Interessen vertreten. Aber ganz grundsätzlich ist die Wissenschaft ein Fehler-korrigierendes System, in dem sich auf Dauer die besseren Ideen durchsetzen.
Unsere Fähigkeit, durch kreative Erklärungen Wissen zu schaffen, ermöglicht uns heute ein unfassbar bequemes Leben, von dem unsere Vorfahren nur träumen konnten. Es ermöglicht uns auch, den Klimawandel zu meistern, jegliche nerfigen Routinearbeiten bald von Algorithmen und Robotern erledigen zu lassen und auf anderen, bisher lebensfeindlichen Planeten, Kolonien aufzubauen. Also die wildesten Science Fiction Fantasien wahr werden zu lassen.
Also Grund zum Optimismus. Es ist nur wichtig, dass dieses Wissen ihren Weg in die Gesellschaft findet.
Etwa durch Produkte, die wissenschaftliche Erkenntnisse verkörpern (und zum Beispiel die erneuerbare Energieversorgung sichern), durch evidenzbasierte Politikberatung und durch Leute, die hilfreiche Ideen in verständlicher Weise vermitteln, zum Beispiel durch Blogposts.
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